Zeitschrift EE

nt 02 | 2021 Großwärmespeicher

Die Bedeutung solarer Prozesswärme in Europa

Die umfassende Dekarbonisierung der Sektoren braucht Anstrengungen aller verfügbarer erneuerbarer Technologien. Die solare Prozesswärme kann und wird einen entscheidenden Beitrag leisten, wie das Projekt „INSHIP“ zeigt.

Im Dezember 2020 wurde das 2017 gestartete und von der EU im Rahmen von Horizon2020 geförderte Projekt „INSHIP“ („Integrating National Research Agendas on Solar Heat for Industrial Processes“) erfolgreich abgeschlossen. Übergeordnetes Ziel des Projektes war es, im Bereich solarer Prozesswärme (Solar Heat for Industrial Processes, SHIP) technische und wirtschaftliche Fortschritte zu realisieren, um das Potential der Solarthermie deutlich steigern zu können. Dafür stand die Realisierung einer gemeinsamen Europäischen Forschungs- und Innovationsagenda („European Common Research and Innovation Agenda“, ECRIA) ganz oben auf der Agenda. Damit sollten führende europäische Forschungsinstitute in eine Struktur integriert und Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten (F&E) koordiniert werden. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE koordinierte dabei 28 teilnehmende F&EEinrichtungen aus 12 europäischen Ländern, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Wissensverbreitung in Industrie-Workshops, eine Landkarte von SHIPForschungsinfrastrukturen sowie Netzwerke in Form von nationalen „Stakeholder Groups“ waren weitere Stoßrichtungen der koordinierenden Aktivitäten („Coordination and Support Actions“, CSA) des Projekts.

INSHIP Projektteam, Koordinationstreffen September 2019 bei FBK, Trient (IT). Foto: Fondazione Bruno Kessler

Projektergebnisse

Konkret wurden durch die Partner insgesamt 44 Forschungsaktivitäten bei unterschiedlichen Technologiereifegraden (TRL 2 bis 5) zu technologischen Fortschritten zukünftiger SHIP Technologien bearbeitet. Diese Aktivitäten adressierten verschiedene Bereiche mit spezifischen Zielen:

  • Verbesserung der Integration von Niedertemperatur- und Mitteltemperatur-Technologien, die den Betriebs-, Belastbarkeits- und Zuverlässigkeitsansprüchen von industriellen Endverbrauchern gerecht werden;
  • Vergrößerung des Anwendungsbereichs von SHIP in der Rohstoffindustrie durch die Entwicklung von geeigneten, in die Prozesse eingebundenen Solartechnologien auch bei hohen Temperaturen;
  • Stärkung der Synergien innerhalb von Industriekomplexen und Industriegebieten durch zentralisierte Wärmeverteilungsnetzwerke sowie Nutzung möglicher Synergien zwischen diesen Netzwerken und dem Fernwärme- und Stromnetz.

Neben vielen Detailergebnissen, die teilweise öffentlich zugänglich sind, wurde für vier Entwicklungen ein Verwertungsplan erarbeitet:

  • ein neuartiger quasi- stationärer linear konzentrierender Kollektor (CPC-Typ) für Anwendungen bis 200 °C und Installation auf horizontalen, geneigten oder vertikalen Flächen;
  • ein eingehaustes Parabolrinnen-Kollektorsystem für Anwendungen im Bereich von 150 bis 400 °C und vereinfachte Integration in eine industrielle Umgebung;
  • ein volumetrischer Solar-Receiver aus Metall mit innovativer innerer Struktur für punktfokussierende Hochtemperatur-SHIP >600 °C;
  • ein kostengünstiger, punktfokussierender Dish-Reflektor aus sphärischen und parabolischen Spiegelsementen für HochtemperaturAnwendungen bis >1000 °C.

Die internationale Forschungszusammenarbeit im Projekt wurde unterstützt durch ein Programm zur Mobilität von WissenschaftlerInnen, in dem insgesamt 29 Forschungsaufenthalte bei anderen Einrichtungen durchgeführt wurden. In einem Programm für den Zugang zu SHIP-Forschungsinfrastrukturen (für Labor- und Feldtests) war auch die Industrie eingeladen, gemeinsam mit INSHIP-Partnern spezifische Fragestellungen in insgesamt neun Kleinprojekten zu bearbeiten.

Sowohl das Austauschprogramm als auch die Projekte mit Zugang zu Forschungsinfrastrukturen konnten trotz der Corona-Pandemie erfolgreich abgeschlossen werden, indem physische Reisen durch intensive Online-Zusammenarbeit ersetzt wurden. Leider mussten auch die letzten Projekttreffen online durchgeführt werden - das letzte physische Treffen fand im Jänner 2020 in Portugal an der Universität in Evora statt.

Fokus Industrie

AEE INTEC war im Projekt federführend für die Integration solarer Prozesswärme in der Industrie verantwortlich. Aufbauend auf der Evaluierung verfügbarer und innovativer Prozesstechnologien wurde daran gearbeitet, wie die Potenziale deutlich erhöht werden können. Im Fokus standen vor allem sogenannte „emerging technologies“ und der Ansatz der Prozessintensivierung. Dabei werden Technologien nicht einfach nur verbessert, sondern radikal neu gedacht. Gemeinsam mit den Partnern im Projekt wurden Konzepte entwickelt und evaluiert, wie man Solarthermie sowohl als Einzellösung als auch in Kombination mit anderen erneuerbaren Energieträgern in das industrielle Energiesystem integrieren kann. Dazu wurden verfügbare Technologien klassifiziert und hinsichtlich ihrer Kombinationsmöglichkeiten evaluiert.

Damit sollten sowohl für Einzelbetriebe als auch für Industrieparks Lösungen erarbeitet werden. Grundsätzlich zeigten die Fallstudien, die über einen Zeitraum von 4 Jahren durchgeführt wurden, dass die gesetzten Klimaziele immer größeres Interesse der Industrie an solchen Konzepten hervorrufen und die Nachfrage nach konkreten Lösungen kontinuierlich steigt. Hervorzuheben ist die Kooperation mit nationalen und europäischen Forschungsprojekten, wodurch Zugriff auf konkrete Fallstudien, Energiedaten und entwickelte Konzepte nah an der Praxis ermöglicht wurde. Die Erfahrungen zeigen, dass betriebsübergreifende Kooperationen in der Energieversorgung eine Herausforderung sind. Zum einen mangelt es an konkreten Fallbeispielen, die anderen als Vorbild dienen. Zum anderen scheitern solche Projekte an organisatorischen Hürden. So hat ein Beispiel aus der Türkei gezeigt, dass zwar das technische Potenzial von Solarthermie sehr hoch ist, wenn Betriebe aus Industriesektoren angesiedelt sind, die einen für die solare Prozesswärme geeigneten Wärmebedarf haben. Aber die Herausforderung der Solarthermie ist es, sich hier im administrativen Aufwand und Verständnis gegenüber anderen Erneuerbaren wie Photovoltaik durchzusetzen. Diese werden doch noch immer als „low-barrier“ Technologien angesehen.

Wichtig ist es deshalb, den Projektentwicklern, aber auch Industriebetrieben ein Werkzeug in die Hand zu geben, mit dem mögliche hybride Energiesysteme, die unterschiedliche Technologien mit solarer Prozesswärme kombinieren, identifiziert und bewertet werden können. Im Rahmen von INSHIP wurde von AEE INTEC an einem solchen Tool gearbeitet.

Sozioökonomische Bedeutung

Im Zeichen der gesetzten Klimaziele ist die Bedeutung der solaren Prozesswärme besonders hervorzuheben. Zwar gilt es die Technologie laufend zu verbessern, was auch die Aktivitäten mit geringem TRL (technology readiness level) im Projekt INSHIP zeigen. Aber gleichzeitig ist die Solarthermie eine erprobte und weit verbreitete Technologie, die schon heute einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung der Industrie leisten kann. Und dahinter stecken beeindruckende Zahlen, wie die Arbeiten an den sozio-ökonomischen Aspekten der solaren Prozesswärme zeigen. Natürlich liegen den Berechnungen Annahmen zugrunde, die sich an den Marktentwicklungen der letzten Jahre und entsprechenden Vereinfachungen orientieren. Aber selbst wenn sich der Beitrag von Solarthermie zur Abdeckung des industriellen Energiebedarfs eher moderat entwickelt (business as usual), werden bis 2030 allein in Österreich mehr als 45 Millionen € investiert und fast 2.000 Jobs neu generiert. Für die Erreichung der Klimaziele müssen allerdings große Anstrengungen getätigt werden. In optimistischen Szenarien würden bis 2030 mit Investitionen von mehr als 340 Millionen € mehr als 700.000 m² Kollektoren installiert, 14.300 neue Arbeitsplätze geschaffen und 52.000 t CO2 jährlich eingespart werden. In Deutschland sind die Zahlen entsprechend größer und vor allem für das optimistische Szenario noch beeindruckender, wenn mehr als 90.000 Arbeitsplätze dazu beitragen, 4,5 Millionen m² Kollektoren zu installieren und ein Investment von mehr als 2.000 Millionen € zu generieren. Solare Prozesswärme ist ein entscheidender Wirtschaftsfaktor, das kann trotz der Vereinfachungen klar festgehalten werden.

„Green jobs” durch solare Prozesswärme in Österreich bis 2050; BAU=weiter wie üblich. Quelle: AEE INTEC

Ausblick

Insgesamt trug das Projekt INSHIP maßgeblich dazu bei, die Europäische Forschungskooperation zu SHIPTechnologien und -Anwendungen zu stärken. Über das Projekt hinaus arbeiten viele INSHIP-Partner im Rahmen des neu gegründeten IEA SHC/SolarPACES Task 64/IV zu solarer Prozesswärme bis etwa 400 °C mit. Die koordinierte europäische Forschungszusammenarbeit zu SHIP mit konzentrierenden Kollektortechnologien wird im Rahmen des neu gegründeten Subprogram 6 des Joint Programme CSP (concentrating solar power) der EERA (European Energy Research Alliance; EERA JP-CSP, SP6) weitergeführt.

Weiterführende Informationen

http://inship.psa.es/

https://task64.iea-shc.org

https://www.eera-csp.eu

AutorInnen

Dr. Peter Nitz ist Abteilungsleiter HochtemperaturSolarthermie und Industrieprozesse bei FraunhoferInstitut für Solare Energiesysteme ISE. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing. Jürgen Fluch ist Leiter des Bereichs „Industrielle Systeme“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Elena Guillen, Ph.D. ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Gruppe „Wasser- und Prozesstechnologien“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Top of page