Zeitschrift EE

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Industrielle Abwärmenutzung essentiell zur Erreichung der Energie- und Klimaziele

Jürgen Fluch, Anna Grubbauer

Foto: istock/Nostal6ie

Trotz des politischen Drucks ist der weltweite Energieverbrauch in den letzten zwanzig Jahren um über 30 % gestiegen. Ohne eine weitreichende Änderung der Energiepolitik ist eine weitere Steigerung des Einsatzes fossiler Brennstoffe und der damit verbundenen CO 2 -Emissionen in den kommenden Jahren nicht zu vermeiden. Der industrielle Energieverbrauch macht ein Drittel des gesamten Energieverbrauchs der Gesellschaft aus. Daher sind Aktivitäten zur Förderung einer effizienten Energienutzung mit geringen Umweltauswirkungen und die Implementierung neuer Technologien zur Verbesserung der Energieeffizienz von entscheidender Bedeutung. Industrielle Überschusswärme stellt eine potenzielle Ressource dar, um zu einer verbesserten Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit in größeren Systemen beizutragen. Obwohl industrielle Überschusswärme bisher bereits genutzt wird, wird das Potenzial für eine noch umfassendere Nutzung als beträchtlich angesehen.

Im Rahmen des Annex 15, der im Zuge des Implementing Agreement der Internationalen Energieagentur „Industrial Energy-Related Technologies and Systems“ (IEA IETS) bearbeitet wurde, wurde ein multidisziplinärer Ansatz zur Rückgewinnung von Überschusswärme und zur integrierten Nutzung in Industriebetrieben verfolgt, um die Energieeffizienz weltweit zu optimieren. Der Ansatz basiert auf den Bedürfnissen der Industrie und kombiniert das Wissen über industrielle Technologien mit Energieeffizienz und Wirtschaftlichkeit.

Österreichische Ziele im internationalen Annex

Das internationale Projektkonsortium setzte sich aus Teilnehmern aus acht EU Staaten und einem Institut aus Kanada zusammen, um Inhalte und Ergebnisse aus nationalen Projekten einzubringen und ein internationales Forschungsnetzwerk aufzubauen. Das österreichische Projektkonsortium verfolgte die Ziele der verstärkten Einbindung österreichischer Forschungseinrichtungen in das internationale Netzwerk, die Partizipation an einer Plattform für den Informationsaustausch, die Initiierung internationaler Projekte im Bereich Abwärmenutzung in Industrieprozessen, Entwicklung neuer Kooperationen und Partnerschaften in Industrie und Forschung, Wissenstransfer und die Weiter- bzw. Neuentwicklung technologischer Kompetenzen sowie das Anbieten von existierendem Know-how und Wissensausbau. Zudem wurde durch das Einbringen vieler nationaler und internationaler Vorprojekte die Sichtbarkeit des Forschungsstandorts Österreich in Bezug auf Energieeffizienz und Nutzung von industrieller Überschusswärme erhöht.

Erhebung und Analyse von Überschusswärme

Ein Fokus des Annex 15 lag in der Erhebung von Methoden zur Identifikation des technischen und wirtschaftlichen Potenzials von industrieller Überschusswärme für die Nutzung in netzgebundener Wärmeversorgung oder in anderen industriellen Betrieben. Dafür wurden in den teilnehmenden Ländern die Methoden zur Ermittlung von (quantitativer) Menge und (qualitativer) Temperaturniveaus industrieller Überschusswärme sowie deren technisch und wirtschaftlich optimale Nutzungsmöglichkeiten erhoben. Dabei zeigte sich, dass sich die verschiedenen Ansätze der einzelnen Länder grob in drei Kategorien unterteilen lassen: (1) Nutzung und Verteilung einfacher Fragebögen an Unternehmen, (2) holistische und statistische Methoden basierend auf Informationen zu Industriesektoren, eingesetzter Prozess- und Versorgungstechnologien und daraus abgeleiteter Abwärmepotenziale und (3) Nutzung des vorhandenen Wissens über umgesetzte Anlagen oder "Modell"-Anlagen zur Nutzung von Überschusswärme. Durch die Arbeiten zeigte sich, dass alle drei Methoden zur Bestandsaufnahme von Abwärme relevant sind. Fragebögen scheinen jedoch am relevantesten zu sein und liefern zuverlässigere Ergebnisse in Industrien mit einer geringen Komplexität des Energiesystems (z. B. mit einfachen Wärmetauscher-Systemen und einigen großen Wärmequellen) als statistische Methoden. Diese sind zuverlässiger, je komplexer die Systeme sind und je mehr unterschiedliche Wärmequellen und Informationen dazu vorliegen. Diese sind jedoch zeitaufwendiger und damit teurer. Die Kombination dieser beiden Methoden kann eine Möglichkeit sein, die Zuverlässigkeit von Fragebogenstudien in z. B. mittelkomplexen Branchen kostengünstiger zu machen.

Rahmenbedingungen und deren Einfluss auf zukünftige Abwärmepotenziale

Neben Methoden zur Identifikation des Potentials an Überschusswärme benötigt es gesetzlicher Rahmenbedingungen und geeigneter Förderinstrumente, um die Umsetzung von Maßnahmen zu steigern und die Entwicklung neuer Technologien zur effizienten und ökonomischen Nutzung der Überschusswärme in Industrieunternehmen voranzutreiben. Ein weiterer Schwerpunkt des Projekts lag daher in der Erhebung und Analyse von politischen und finanziellen Instrumenten in den einzelnen Ländern und der Identifikation nötiger Anreize für die Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen. Aus den Arbeiten ging hervor, dass es in den einzelnen Ländern eine Vielfalt an Instrumenten gibt. In Österreich lag das Augenmerk auf der nationalen Umsetzung der EU-Energieeffizienzpolitik und ihrer Auswirkungen auf die Nutzung von Abwärme. Es zeigte sich, dass politische Instrumente im Zusammenhang mit den THG-Emissionskosten in vielen Fällen für die Nutzung von überschüssiger Wärme von Vorteil sind.

Schlussfolgerung und Ausblick

Obwohl die Nutzung von Abwärme in allen teilnehmenden Ländern grundsätzlich verbreitet ist, gibt es in diesem Bereich noch ein großes Potenzial für eine signifikante Steigerung an Projekten, der Energieeffizienz und somit der Einsparung fossiler Energieträger. Neben dem technischen gibt auch ein großes wirtschaftliches Potenzial. Dies wird durch die durchgeführten Umfragen deutlich, in denen vielversprechende Möglichkeiten identifiziert wurden. Im Zuge des Projektes hat sich gezeigt, dass in den Teilnehmerländern ähnliche Hindernisse bei der Umsetzung von Projekten zur Überschusswärmenutzung bestehen. Dazu zählen beispielsweise fehlende belastbare Informationen zu tatsächlich verfügbaren Mengen und Temperaturniveaus der Überschusswärme, Unsicherheit über Integrationsmöglichkeiten und das Zusammenspiel mit anderen Versorgungstechnologien, Unsicherheiten in der Zusammenarbeit bzw. Abhängigkeiten von Betrieben, unterschiedliche Anforderungen an die Rentabilität der Investitionen zwischen Anbieter und Nutzer, und zu hohes Investitionsrisiko aufgrund von Unsicherheiten über die zukünftigen politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen.

Neben dem fachlichem Wissenszuwachs und der Möglichkeit, neue internationale Forschungskooperationen zu starten, wurde durch die aktive Teilnahme des österreichischen Konsortiums die Sichtbarkeit des Forschungsstandortes Österreich gestärkt und auch innerhalb Österreichs das Thema der industriellen Abwärmenutzung verstärkt platziert.

Die Ergebnisse zeigen, dass die industrielle Abwärmenutzung zentral und von wesentlicher Bedeutung für den Umstieg in ein erneuerbares Energiesystem ist. Es wird daher aktuell auf internationaler Ebene die Weiterführung der Aktivitäten im Rahmen eines weiteren Projekts vorbereitet.

Weiterführende Informationen

https://nachhaltigwirtschaften.at/de/iea/technologieprogramme/iets/iea-iets-annex-15.php

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