Zeitschrift EE

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Entwicklungen bei PV-integrierten Fassaden

Real-Setup an den Testräumen der TU Graz, BIPV als Kaltfassade. Foto: Institut für Wärmetechnik, TU Graz

Photovoltaik (PV) wird in der alternativen Energiegewinnung in Zukunft eine wichtige Rolle einnehmen und bietet großes Potenzial für den Ausbau erneuerbarer Stromerzeugung in Österreich. Dabei bildet Photovoltaik eine der zentralen Säulen des Energiesystems zur Erreichung der nationalen Klima- und Energieziele [1]. Für die Umsetzung der von der Bundesregierung festgelegten Vorgaben, elektrischen Strom in Österreich bis 2030 bilanziell zu 100 % aus erneuerbarer Erzeugung bereitzustellen, sind etwa 15 Gigawatt Photovoltaik erforderlich.

Potenzial in Städten für bauwerksintegrierte PV

Heute stellen Gebäude mit 95,6 % bereits das am häufigsten genutzte Flächenpotenzial für PV-Installationen in Österreich dar [2], aber nur 3 % aller PV-Installationen sind bauwerkintegriert (Die Analyse und Überwindung der Hindernisse bei der weiteren Verbreitung von bauwerksintegrierten Photovoltaik-Anwendungen ist auch die Motivation für den internationalen IEA PVPS Task 15 der Internationalen Energieagentur, an dem sich gemeinsam mit dem AIT mehrere österreichische Forschungseinrichtungen und PV-Produzenten intensiv beteiligen. Aktuelle Publikationen siehe http://www.iea-pvps.org/index.php?id=508). Der Rest der PV-Anlagen wird als Aufdach-Montage ausgeführt. Dadurch lässt sich das enorme Potenzial vor allem in städtischen Gebieten für die Bauwerksintegration von Photovoltaik erkennen.

Bauwerksintegrierte PV (BIPV) könnte sich zum Standard bei urbanen Anwendungen entwickeln. Aktuell werden flexible, farbige und multifunktionale Module entwickelt, um architektonischen und ästhetischen Ansprüchen im urbanen Raum gerecht zu werden. Eine möglichst vollständige lokale Nutzung des erzeugten Stromes kann durch lokale und regionale Energielösungen auf Basis von integrierten Photovoltaiksystemen in Kombination mit Speichern realisiert werden. Gebäudeintegration umfasst dabei nicht bloß die Anbringung, sondern vor allem auch die strukturelle und funktionelle Integration der Systeme zur Erzeugung von Synergien mit anderen Gebäudeteilen. Das Miteinbeziehen von BIPV in die Bauplanung erlaubt es, energieoptimierte Gebäude mit neutraler oder positiver Energiebilanz zu erreichen.

Herausforderungen

Herausforderungen im Hinblick auf die Integration von PV in Gebäude finden sich in den Bereichen Planungs- und Entscheidungsprozesse von Bauprojekten ebenso wie in Technologieentwicklung und Verfügbarkeit. Derzeit fehlen geeignete Prozesse und Werkzeuge, um Photovoltaik bereits in frühen Entwurfs- und Entscheidungsphasen von Bauwerken integrieren zu können. Eine Berücksichtigung bzw. eine Integration in Planung und Koordination der Gewerke ist für eine technische und wirtschaftliche Umsetzung jedoch essentiell und digitale Bauplanungsmethoden stellen hier einen möglichen Lösungspfad dar. Für den vermehrten Einsatz bedarf es kostengünstiger Produkte, die sowohl die Anforderungen der Photovoltaik allgemein wie z. B. Anforderungen an Langlebigkeit und Sicherheit als auch Anforderungen an die PV-Module als Bauprodukt entsprechend erfüllen. Dazu zählen insbesondere Brandschutzeigenschaften, Festigkeit, Gewicht und Designmöglichkeiten (Farbe und Form). Nationale und internationale Demonstrationsprojekte der letzten Jahre zeigen, dass Gebäude mit BIPV im Plusenergiestandard errichtet oder saniert werden können, die breite Markteinführung derartiger Gebäude schreitet jedoch bislang nur sehr zögerlich voran.

Erste Erfahrungen aus dem Projekt VITALITY: neues Simulationswerkzeug

(VITALITY, Energieoptimierte Designregeln und Planungsschnittstellen für BIPV im urbanen Raum; gefördert von der FFG, Nr. 854663 im SdZ 3. Ausschreibung RL 2016; Partner: AIT Austrian Institute of Technology GmbH (Konsortialleitung), Academia Europea di Bolzano, Technische Universität Graz - Institut für Gebäude und Energie, Lund University, teamgmi Ingenieurbüro GmbH, ATB-Becker e.U.)

Im Rahmen der Projektinitiative VITALITY wurden erweiterte architektonische und urbane Designkriterien entwickelt, welche die traditionellen Kriterien für das Gebäudedesign mit den besonderen Merkmalen von BIPV im Rahmen der digitalen Entwurfsgestaltung verknüpfen. Das Ergebnis ist ein Simulationswerkzeug zur Modellierung und Bewertung von BIPV-Projekten sowie Designregeln für spezielle und repräsentative Anwendungsfälle. Dies erlaubt es, Photovoltaik auch in komplexen Bauprojekten bereits im Entwurfsprozess planerisch einfach einzusetzen. In einem nächsten Schritt sollen Last- und Erzeugungsprofile von Stadtgebieten und Quartieren bereits in der Entwurfsphase aufeinander abgestimmt und optimiert werden.

Berechnete solare Einstrahlung pro Jahr auf die Gebäudeoberfläche unter Einbezug eines definierten, minimalen Sollwertes zur Stromerzeugung. In diesem Fall sind lila eingefärbte Flächen geeignet für die Stromproduktion. Quelle: Martin Kaftan, TU Graz - Institut für Gebäude und Energie

COOLSKIN: Kombination aus PV-Wärmepumpe und BIPV

Im Zuge der Aktivitäten des Projektes COOLSKIN (COOLSKIN, Autarkes Kühlen über Gebäudehüllen, gefördert von der FFG, Nr. 848871 im e!MISSION-Call, Partner, Technische Universität Graz - Institut für Wärmetechnik (Konsortialleitung), AIT Austrian Institute of Technology GmbH, Hans Höllwart - Forschungszentrum für integrales Bauwesen AG, Architekturbüro Reinberg ZT GmbH, qpunkt GmbH.) und angebunden an internationale Aktivitäten des IEA SHC Task 53 (D. Mugnier, A. Mopty, M. Rennhofer, T. Selke: Final Report Subtask A2; Publication on official homepage of IEA SHC Task 53 http://task53.iea-shc.org/publications, SHC Task 53 - A2, 2017.) wurde ein reales Modell (Mock-Up) zur dezentralen Kühlung, basierend auf einer Kombination aus Photovoltaik und Wärmepumpe, untersucht. Dafür wurde ein Testraum mit Hilfe von TRNSYS und POLYSUN simuliert und anschließend ein realer Testraum als Referenzraum eingerichtet. Eine als Kaltfassade ausgeführte, vertikale PV-Anlage speist dabei die in die Fassade integrierte Technik wie Wechselrichter, Batterie, Kühleinheit und Ventilation (siehe Titelbild). Der Raum im Titelbild links dient als Referenzraum und der Raum im Titelbild rechts wird über die BIPV klimatisiert. Die umgesetzte Lösung verwendet schwarz emaillierte und grau bedruckte monochrome BIPV-Elemente als Bänder im Oberlicht- und Parapetbereich mit einer Leistung von jeweils 930 Wp bzw. 1200 Wp. Die Funktionalität der Wärmepumpe (für Kühlen und Heizen) sowie das Gesamtsystem wurden analysiert und sowohl im Heiz- als auch im Kühlfall konnte ein nennenswerter Anteil des Energiebedarfs dezentral durch das PV-System gedeckt werden. Insbesondere die Kühlung korreliert ideal mit der solaren Energieerzeugung. Systeme wie COOLSKIN können auch in der Sanierung von Bestandsbauten sinnvoll eingesetzt werden. Derzeit läuft die Planung für die Umsetzung eines multiplizierbaren Produktes.

PV-Technologie für die Fassade

Die interdisziplinäre Forschungsinitiative PV@Fassade (PV@Fassade: BIPV: Fassadenelemente mit PV-aktiven Schichten, gefördert von der FFG, Nr. 843803 im e!MISSION-Call, Partner, Ofi (Konsortialleitung), AIT, Hans Höllwart - Forschungszentrum für integrales Bauwesen AG, CTR, Joanneum Research, Crystalsol, Fritz Egger GmbH, Ertex Solartechnik, Sunplugged.) beschäftigte sich ebenfalls mit Technologieentwicklungen für bauwerksintegrierte PV. PV-Materialien und deren Verklebung mit dem Fassadenelement zu einem langzeitbeständigen Multimaterialverbund wurden untersucht und optimiert. Darüber hinaus waren die Erarbeitung innovativer Verschaltungsund Integrationskonzepte für effizienzoptimierte PV-Fassadenelemente, neue Ansätze zur farblichen Gestaltung und besseren optischen Akzeptanz von PV-Modulen für Gebäude sowie die Entwicklung von integrierten Monitoringsystemen zur Analyse der Performance Schwerpunkte des Projekts (siehe Abbildung auf der nächsten Seite). Die Ertrags- und Datenanalyse sowie die Evaluierung der PV-Elemente und der Anlage wurden auch genutzt, um auf Basis der erfassten Daten digitale Modelle der BIPV- Produkte abzuleiten. Diese können die Grundlage für zukünftige Komponentenmodelle, wie sie in modernen BIM (Building Information Modelling) -basierten Planungsprozessen verwendet werden, bilden.

Unterschiedliche farbliche Gestaltung von PV-Modulen in einer Testfassade. Plasmonische Zellbeschichtung (grün), Polymerbeschichtung (rot), keramische Bedruckung am Frontglas (grün). Foto: Projekt PV@Fassade.

Fazit

Mittlerweile erreicht Photovoltaik eine hohe technische Zuverlässigkeit und konkurrenzfähige Stromgestehungskosten. Viel wurde in den letzten Jahren auch im Bereich der Netz- und Systemintegration erreicht, im Hinblick auf Gebäudeintegration steht die Technologie jedoch noch am Anfang der Entwicklungen. Am AIT Austrian Institute of Technology werden Technologieinnovationen vorangetrieben, um zuverlässige und kostengünstige PV-Bauprodukte zu entwickeln, die effizient in einen integrierten digitalen Planungs- und Bauprozess eingebunden werden können.

Vorgehängte PV-Fassade vor Wärmedämmverbundfassade, Befestigung mit Klettverschlusssystem STO Systain. Links: Glas-Glas und Mitte: semiflexibel mit kristallinen Siliziumzellen, Rechts: flexible CIGS-Zelltechnologie. Foto: Projekt PV-Fas Light & easy.

Autor

Christoph Mayr ist Business Manager “Photovoltaic Modules and Power Plants” des Center for Energy am Austrian Institute of Technology (AIT). Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Weiterführende Informationen / Links im E-Paper

  1. #mission2030, Die österreichische Klima- und Energiestrategie, BMNT (2018) https://mission2030.info/wp-content/uploads/2018/10/Klima-Energiestrategie.pdf
  2. P. Biermayr, C. Dißauer, M. Eberl, M. Enigl, H. Fechner, L. Fischer, K. Leonhartsberger, F. Maringer, S. Moidl, C. Schmidl, C. Strasser, W. Weiss, P. Wonisch, E. Wopienka 2018, Innovative Energietechnologien in Österreich Marktentwicklung 2017, Berichte aus Energie- und Umweltforschung 4/2018
  • https://nachhaltigwirtschaften.at/resources/iea_pdf/reports/marktstatistik-2017-endbericht.pdf
  • http://www.iea-pvps.org/index.php?id=508
  • http://task53.iea-shc.org/publications
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