Zeitschrift EE

nt 01 | 2021 Neue Impulse für die Energieraumplanung

Energieraumplanung in der Steiermark

Dieter Preiß, Christine Schwaberger

Das Schlagwort „Energieraumplanung“ tauchte erstmals im Zuge der Energiekrisen 1973 und 1979 auf. (Jilek, 1998).

Derzeit gewinnt es im Sinne eines aktiven Klimaschutzes wieder an Bedeutung und ist auch im aktuellen Programm der österreichischen Bundesregierung unter dem Stichwort „Klimaschutzorientierte Energieraumplanung“ festgehalten. Damit die Transformation des Energiesystems zu einer dekarbonisierten Energiewirtschaft gelingt, wird die Erarbeitung von Planungsgrundlagen für die räumliche Dimension von Energie in der Raumplanung zunehmend als hoheitliche Aufgabe gesehen.

Im Ergebnispapier der ÖROK (Österreichische Raumordnungskonferenz)-Partnerschaft Energieraumplanung ist die „Energieraumplanung jener integrale Bestandteil der Raumplanung, der sich mit den räumlichen Dimensionen von Energieverbrauch und Energieversorgung umfassend beschäftigt.“ Weiters wird dort festgehalten, dass Potenziale für die Gewinnung von Energie aus erneuerbaren Quellen mobilisiert und gleichzeitig raumstrukturelle energiesparende Maßnahmen bei den Lebensstilen und in der Wirtschaft etabliert werden müssen.

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Grundlagen der Energieraumplanung in der Steiermark

Das Land Steiermark war von 2013 bis 2016 Projektpartner des EU-Projekts SPECIAL (Spatial planning and energy for communities in all landscapes).

Schwerpunkt dieses IEE (Intelligent Energy Europe)-Projektes war die Implementierung nachhaltiger Energielösungen in die örtliche Raumplanung. Dieses Projekt wurde VertreterInnen steirischer Gemeinden, Behörden und RaumplanerInnen präsentiert und markiert den Start der Energieraumplanung in der Steiermark. 2016 wurde das Institut für Raumplanung, Umweltplanung und Bodenordnung der BOKU Wien beauftragt, als Umsetzungsmaßnahme des EU-Projektes einen Leitfaden zum Thema „Das Sachbereichskonzept Energie - Ein Beitrag zum Örtlichen Entwicklungskonzept" für die örtliche Raumplanung in der Steiermark zu erstellen. Anhand von Beispielgemeinden wurde im Leitfaden der BOKU Wien gezeigt, dass eine räumlich und sachlich hoch aufgelöste energetische Charakterisierung der Gemeinden und eine fundierte Analyse aller für die Energieraumplanung relevanten Aspekte notwendig ist. Diese führt zu einer Definition von energieraumplanerischen Standorträumen bzw. Vorranggebieten. Im Rahmen der ÖEKs können die Gemeinden somit energie- und klimarelevante Ziele verankern und mit der langfristigen Festlegung von Entwicklungspotenzialen abstimmen. Anfang 2019 wurde die energetische Charakterisierung in Form einer kommunalen Energie- und Treibhausgasdatenbank auf Basis von statistischen Daten für alle steirischen Gemeinden fertiggestellt.

Weiters werden Wärmedichtekarten und Karten für energiesparende Mobilität im GIS Steiermark zur Verfügung gestellt. (Albart Heriszt, Stöglehner, 2019) Die Gesetzesgrundlage für Sachbereichskonzepte im Rahmen der örtlichen Raumplanung findet sich bei den Zielsetzungen der Raumordnungsgrundsätze im Steiermärkischen Raumordnungsgesetz (Demzufolge „hat die Entwicklung der Siedlungsstruktur unter Berücksichtigung sparsamer Verwendung von Energie und vermehrtem Einsatz erneuerbarer Energieträger sowie unter Berücksichtigung der Klimaschutzziele zu erfolgen“). Für die Begründungen der Wortlautfestlegungen im Örtlichen Entwicklungskonzept (ÖEK) (Ein Örtliches Entwicklungskonzept stellt im rechtlichen Rang eine Verordnung dar) ist ein Erläuterungsbericht zu erstellen. Dazu zählen „Sachbereichskonzepte zur Erreichung der Entwicklungsziele für einzelne Sachbereiche, wie insbesondere für die Energiewirtschaft“.

Die im Sachbereichskonzept Energie (SKE) erarbeiteten energieraumplanerischen Strategien sollen EntscheidungsträgerInnen der örtlichen Raumplanung befähigen, raumrelevante Entscheidungen mit energie- und klimapolitischen Zielsetzungen in Einklang zu bringen und damit auf kommunaler Ebene die Voraussetzungen für die Energiewende und die Einhaltung internationaler Klimaschutzverpflichtungen zu schaffen.

"Die Grundlagenarbeit zur Energieraumplanung mit der Erarbeitung des Leitfadens zur Erstellung eines Sachbereichskonzeptes Energie macht deutlich, welch maßgebenden Beitrag eine zukunftsorientierte Raumplanung zur Erreichung der energie- und klimapolitischen Zielsetzungen leisten kann."
Andrea Teschinegg, Referatsleiterin, Referat für Bau- und Raumordnung, Abteilung 13, Amt der Steiermärkischen Landesregierung

Das Förderprogramm für Gemeinden und RaumplanerInnen

Um das Instrument des SKE umzusetzen, wurde von den mit Raumplanung und Energie betrauten Stellen in den Abteilungen des Landes Steiermark ein Förderprogramm aus dem Ökofonds Steiermark aufgesetzt. Dabei ist die Ausschreibung modular gestaltet: Das erste Modul zielt auf die Förderung von Planungsleistungen zur Einarbeitung von Klimaschutz- und Energieaspekten in die Instrumente der örtlichen Raumplanung ab. Zusätzlich zum raumordnungsrechtlich verbindlichen Stakeholderprozess kann auch eine aktive Bürgerbeteiligung zur Identifikation aller Betroffenen mit dem SKE und zur Gewährleistung der notwendigen Transparenz im Planungsprozess finanziell unterstützt werden. In zwei weiteren Modulen können Machbarkeitsstudien und Detailplanungen, sowie die Vorbereitung und Ausschreibung von Umsetzungsvorhaben gefördert werden.

Für die Inanspruchnahme einer Förderung ist die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung oder an einem Sprechtag durch die jeweilige Gemeinde und ihre OrtsplanerInnen verpflichtend. Diese Veranstaltungen wurden vom Land Steiermark gemeinsam mit der BOKU angeboten. VertreterInnen aus mehr als hundert Gemeinden nahmen an den Schulungen bzw. Beratungen teil. Aktuell arbeiten konkret 43 Gemeinden aktiv an ihren SKEs. Bereits angekündigt, und auch im Aktionsplan zur Klima- und Energiestrategie Steiermark 2030 festgehalten, ist die Vorbereitung einer zukünftigen gesetzlichen Verpflichtung im steirischen Raumordnungsgesetz zur Erarbeitung von SKEs.

Die nächsten Schritte auf dem Weg zur Wärmewende

A) Durchgängigkeit von den Zielen bis zur Umsetzung

Stufen der Energieplanung. Räumlich und zeitlich differenzierte Planungsschritte aufbauend auf der Energieanalyse (nach Mach T. et al, 2018)

Zur Erreichung der strategisch erarbeiteten Ziele ist es unbedingt erforderlich, die Verbindung von der Energieanalyse über die Energieraumplanung mit der anschließenden Planung des Energiesystems und der Energietechnik in einem Gebäude zu schaffen. Ohne bindende Durchgängigkeit und Berücksichtigung des steigenden Grads der räumlichen und zeitlichen Auflösung ist die praktische Realisierung nicht gewährleistet und Ziele bleiben ohne konkrete Umsetzung.

B) Monitoring und konsequente Zielverfolgung der Strategie im Örtlichen Entwicklungskonzept

Durch die Integrierung in das ÖEK unterliegen die Sachbereichskonzepte für Energie der aufsichtsbehördlichen Prüftätigkeit und können evaluiert und Teil eines Monitoringprozesses werden. Revisionen des Örtlichen Entwicklungskonzepts bzw. des Flä- chenwidmungsplanes sind alle 10 Jahre verpflichtend durchzuführen. Monitoringintervalle von 1-3 Jahren bieten die Möglichkeit, den Grad der Zielerreichung festzustellen. Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Etablierung von Prozessen auf kommunaler Ebene zur Sicherstellung der klima-, energie- und raumordnungsrelevante Entscheidungen im Sinne der strategischen Ausrichtung.

C) Vorrang für erneuerbare Fernwärme und Vermeidung von Doppelinfrastruktur

Fernwärme ist ein Versorgungsystem, das es erlaubt, unterschiedliche Energiequellen wie industrielle Abwärme, Wärme aus Kraft-Wärmekopplungsanlagen oder direkte erneuerbare Wärmequellen wie Biomasse oder Wärmepumpen flexibel einzubinden. Die Konkurrenz mit dem Erdgasnetz stellt energietechnisch als auch hinsichtlich der langfristigen volkswirtschaftlichen Kosten zweier paralleler Systeme ein Problem dar. Insbesondere dort, wo „erneuerbare“ Fernwärme möglich ist, ist daher eine Bevorzugung gegenüber Erdgas und auch anderen dezentralen Energieversorgungsmöglichkeiten geboten.

D) Verbesserung und Aktualisierung von Datengrundlagen

Die Analyse der IST-Situation und die genaue Kenntnis über den Bestand, die Nutzung und den Zustand von Gebäuden und deren Energieinfrastruktur ist der erste Planungsschritt. Eine gute, umfassende und möglichst vollständige Datenbasis ist dabei die Grundvoraussetzung für eine vorausschauende Planung. Mittlerweile gibt es viele Datenquellen für die Bestimmung der Nutzung und Energieinfrastruktur bestehender Gebäude auf kommunaler Ebene. Wichtig ist hier ein gut gepflegtes bzw. auf aktuellen Stand gebrachtes Adress-, Gebäude- und Wohnungsregister (AGWR). Weiters gibt es Datenbanken über Heizungsanlagen und Energieausweise von Gebäuden als wichtige Datenquelle.

Ausblick

Visuelle und übersichtliche Darstellungen von georeferenzierten Energiedaten und Potenzialen zur Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen in Form von Karten oder im Digitalen Atlas Steiermark sind ein wertvolles und hilfreiches Mittel für zukünftige energie- und klimaschutzrelevante Entscheidungen im Bereich der Raumplanung. Die flächendeckende Ausrollung des Wärmeatlas Steiermark stellt einen weiteren notwendigen nächsten Schritt dar. Zum Gelingen der Transformation des Energiesystems darf auf den Stromsektor und vor allem die Mobilität nicht vergessen werden. Fortsetzung folgt.

Statement

"Die Zukunft der Energieversorgung hängt stark davon ab, inwieweit es gelingt, die Potenziale aus Energieeffizienz und Energie aus erneuerbaren Quellen zu realisieren. Die Energieraumplanung ist ein wichtiger Hebel auf kommunaler Ebene, wenn es darum geht, ein dekarbonisiertes Energiesystem von der Vision in die Tat umzusetzen und auf den Boden zu bringen."
-- Dieter Thyr, Referatsleiter, Referat Energietechnik und Klimaschutz, Abteilung 15 Energie, Wohnbau, Technik, Amt der Steiermärkischen Landesregierung

AutorInnen

Dipl.-Ing. Dieter Preiß ist Mitarbeiter des Referats für Energietechnik und Klimaschutz, Abteilung 15 Energie, Wohnbau, Technik, Amt der Steiermärkischen Landesregierung. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Mag.a Christine Schwaberger ist geschäftsführende Gesellschafterin des Raumplanungsbüros Pumpernig & Partner ZT GmbH. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Weiterführende Informationen

  • Jilek W. (1998): Energieraumplanung in SIR-Mitteilungen und Berichte, Band 26/1998
  • ÖROK-Partnerschaft Energieraumplanung: www.oerok.gv.at/raum/themen/energieraumplanung
  • EU-Projekt SPECIAL: https://ec.europa.eu/energy/intelligent/projects/en/projects/special
  • Abart-Heriszt L., Stöglehner G. (2019): Das Sachbereichskonzept Energie, Ein Beitrag zum Örtlichen Entwicklungskonzept, Leitfaden, Version 2.0
  • Klima- und Energiestrategie Steiermark 2030 mit Aktionsplan 2019-2021
  • Mach T. et al (2018): Stufen der Energieplanung (Präsentation), Institut für Wärmetechnik, TU Graz
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