Zeitschrift EE

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Vorhandene Wasserspeicher als Chance zur Energieflexibilisierung

Thomas Ramschak, Christian Fink

Im Zuge einer Dekarbonisierung des Energiesystems kommt Wärme- und Stromspeichern zunehmend steigende Bedeutung als Flexibilisierungselementen sowohl in Verbindung mit fluktuierenden Erneuerbaren als auch energiesektorübergreifend zu. Durch die stetig wachsende Einspeisung volatiler, nicht regelbarer erneuerbarer Energien werden schon heute zunehmend die bestehenden Energienetze belastet. Eine Glättung der Schwankungen im Stromsektor mit Hilfe von Batterien oder Pumpspeicherkraftwerken kann Abhilfe schaffen, ist aber sehr kostenintensiv. Aus diesem Grund wird häufig über die Sektorenkopplung von Strom und Wärme (Power to Heat - P2H) zur Flexibilisierung des Stromnetzes über den Wärmesektor diskutiert und diese Sektorenkopplung punktuell auch bereits betrieben. Intelligenten Energiesystemen und netzreaktiver Haustechnik von Gebäuden wird in zahlreichen Studien eine zentrale Rolle als flexiblen Teilnehmern in Smart Grids zugeschrieben. Als Herausforderung und als zentral wichtige Fragestellung mit hohem Forschungsbedarf stellt sich im Gebäudesektor der sogenannte „Mismatch“ – das Ungleichgewicht zwischen Energieeinspeisung ins und Energieentnahme aus dem Netz - dar.

Foto: SFL technologies GmbH

Die Ausschöpfung des Energiespeicherpotentials von bereits vorhandenen installierten Behälterwasserspeichern liegt als grundsätzlich kostengünstige Variante besonders nahe. Diese können dabei einerseits eine Entlastung der Energienetze im Zusammenhang mit der Steigerung der Eigenverbrauchsanteile dezentraler Erneuerbarer adressieren, andererseits kann die vorhandene Speicherkapazität der Wasserspeicher mit Abstrichen auch zentral zur Verfügung gestellt werden und so erheblich zum Lastmanagement im Netz bzw. bei den Versorgungsanlagen beitragen.

Wärmeleistungspotential von Wasserspeichern

Zur Abschätzung des gesamten Wärmeleistungs- Potenzials der aktiven Wasserspeicher in Österreichs Wohngebäuden wurde im Rahmen der IEA-Forschungskooperation (Annex 67 „Energy Flexible Buildings“) ein statistischer Ansatz gewählt. Ausgehend von der Anzahl der Gebäude1 in Österreich (~1,8 Mio. Einfamilienhäuser EFH; ~ 0,26 Mio. Mehrfamilienhäuser MFH) bzw. den in österreichischen Haushalten (insg. ~ 4 Mio. HH) verwendeten Energieträgern2, wurden den Heizsystemen zurechenbare Speichervolumina definiert und auf ein aktuelles Gesamtvolumen hochgerechnet. Daraus ergibt sich im gesamten österreichischen Gebäudebestand ein bereits installiertes Gesamtvolumen an Wasserspeichern von rund 690 000 m³. Die Abbildung zeigt die prozentuale Verteilung des Speichervolumens anhand der eingesetzten Energiesysteme zur Warmwasserbereitung und Raumheizung im Gebäudebestand. Einen entscheidenden Beitrag liefern dabei die rund 480 000 solarthermischen Systeme zur Warmwasserbereitung und Raumheizungsunterstützung, die sich durch ihre relativ großen Speichervolumina auszeichnen und einen Anteil von rund 46 % ausmachen.

Verteilung des für Österreich hochgerechneten Wasserspeichervolumens von 690 000 m³ in Bezug auf verschiedene Heizungssysteme. Quelle: AEE INTEC

Netzdienliche zentrale Speicherbewirtschaftung

Die folgende Abbildung zeigt die reale Energieproduktion aus Wind- und Solarenergie an drei Tagen in der Übergangszeit und den täglichen elektrischen Strombedarf (9,8 kWh/Haushalt)3 in den österreichischen Haushalten (Gebäudelast) im Jahr 2017. Dabei stellt die negativ aufgetragene Residuallast (gelb schraffierte Fläche) Zeiten potenzieller Netzdienlichkeit dar, in denen die erneuerbare Stromproduktion aus Wind und Photovoltaik den gesamten Strombedarf des Gebäudesektors übersteigt.

Stromproduktion aus erneuerbaren Energien (Wind und Solar) und elektrischer Strombedarf sowie Residuallast aller österreichischen Haushalte. Quellen: electricitymap.org; AEE INTEC

Dieser Überschussstrom kann zu Zeiten potenzieller Netzdienlichkeit zielgerichtet angesprochen und zur Überwärmung der vorhandenen Wasserspeicher herangezogen werden. Mit einer theoretischen Überwärmung der Wasserspeicher von insgesamt 8,5 Kelvin (des Beispieltages 01.03.) kann der gesamte Überschussstrom der derzeit installierten Leistung zwischengespeichert werden. Bei dieser Potenzialerhebung wurden alle verfügbaren Wasserspeicher gleichermaßen herangezogen, was einerseits eine grundsätzliche Verfügbarkeit der Speicherkapazität voraussetzt und andererseits einer stark vereinfachten zentralen Regelungsstrategie entsprechen würde. Speziell bei dezentralen Energiesystemen mit Wasserspeichern, die bereits vermehrt erneuerbare Energie verwenden (beispielsweise solarthermische Systeme), müssen genauere Betrachtungen durchgeführt werden um Rebound-Effekte (z. B. die Reduktion der solarthermischen Erträge) zu vermeiden und einen maximalen Nutzen für Gebäude- aber auch Netzbetreiber zu gewährleisten. Das Ziel einer netzdienlichen Regelung für Wasserspeicher ist es daher, durch Lastmanagement den zeitlichen Verlauf des Strombezugs an die Verfügbarkeit von Strom im Energiesystem so anzupassen, dass unter Berücksichtigung des aktuellen Speicherladezustandes lokal produzierte Energie aus erneuerbaren Energien auch lokal gespeichert und verbraucht werden kann.

Nutzung des Überschussstroms aus erneuerbaren Energien (Wind und Solar) zur Überwärmung der vorhandenen Wasserspeicher, Reduktion der Stromspitzen im Netz und Reduktion der Wärmelast (Warmwasserbereitung und Raumheizung) in österreichischen Haushalten. Quelle: AEE INTEC

In Bezug auf den gesamten Wärmebedarf von 56 TWh/a4 im Jahr 2016 und dessen Verlauf (Berechnungen von AEE INTEC) im Gebäudesektor ist zu erkennen, dass die Verschiebung der Residuallast in bestehende Wasserspeicher bei der derzeitig installierten Leistung der fluktuierenden erneuerbaren Energieerzeuger nur einen Bruchteil am Wärmebedarf des Gebäudesektors ausmacht, wodurch das enorme Flexibilisierungspotenzial dieser Maßnahme auch bei zunehmenden Anteilen an Sonnen- und Windstrom unterstrichen wird.

Schlussfolgerungen

Das grundsätzliche Potenzial zur Schaffung von Energieflexibilität, welches in den aktuell bereits installierten Wasserspeichern im Gebäudesektor liegt, ist nicht zu vernachlässigen. Diese können erhebliche Beiträge leisten, um die Stromspitzen im Netz (Überschussstrom aus Sonne und Wind) zu reduzieren und den Anteil an erneuerbaren Energieträgern im Energiesystem zu erhöhen. Eine aktive zentrale Bewirtschaftung von Wasserspeichern stellt daher eine potenzielle Methode dar, die aufgrund der bereits vorhandenen Speicher kostengünstig in einem Smart Grid angewendet werden kann. Durch die Koppelung mit weiteren Flexibilisierungsmaßnahmen im Gebäude (z. B. Flexibilisierung der Raumtemperaturen, thermische Aktivierung von Gebäudemassen, etc.) kann das Potenzial noch weiter gesteigert werden. Die relevanten Potenziale lassen sich aber nur erschließen, wenn effiziente und robuste Betriebsführungsstrategien entwickelt werden und eine standardisierte, leistungsfähige Infrastruktur zur Kommunikation zwischen dezentralen Energiesystemen und einer übergeordneten zentralen Regel-Ebene vorhanden ist. Dieser Entwicklungsschritt geht einher mit neuen Geschäfts-, Markt- und Betreibermodellen mit Beteiligung unterschiedlicher Akteursgruppen.

Autoren

Dipl.-Ing Thomas Ramschak ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bereichs „Thermische Energietechnologien und hybride Systeme“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Prok. Ing. Christian Fink ist Leiter des Bereichs „Thermische Energietechnologien und hybride Systeme“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

Literatur

  1. Statistik Austria, Gebäude- und Wohnungszählungen 1971 bis 2001, Registerzählung 2011.
  2. Statistik Austria, Anteiliger Einsatz aller Energieträger aller Haushalte insgesamt und nach Verwendungszweck, Wien, 2017
  3. Statistik Austria, Strom- und Gastagebücher 2008/2012/2016, Wien 2018
  4. Statistik Austria, Energiestatistik: MZ Energieeinsatz der Haushalte 2003/2004, 2005/2006, 2007/2008, 2009/2010, 2011/2012, 2013/2014 und 2015/2016. Wien, 2017
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