Zeitschrift EE

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Integration von Energieflexibilität – ein Erfahrungsbericht von der Technischen Universität Delft

Erwin Mlecnik

Lösungen für Energieflexibilität sind geeignet, den Energiebedarf von Gebäuden und Gebäudeverbänden zu senken und Facility ManagerInnen bzw. EntwicklerInnen von Immobilien könnten eine zentrale Rolle in der Akzeptanz von Energieflexibilität übernehmen. Die Einführung von Energieflexibilität ist aber ein komplexer Prozess, der mit anderen Strategien des Asset-Managements zur Einsparung von Energie konkurriert.

Testgebäude der Universität Delft. Foto: Erwin Mlecnik

Akzeptanz der Einführung von Energieflexibilität

Zukünftige energieflexible Gebäude werden ihren Energiebedarf nicht nur in Hinblick auf lokale Klimabedingungen und den Bedarf von Nutzern und Nutzerinnen managen, sondern auch die Erfordernisse der Netze berücksichtigen. Bisher sind Sozialstudien in Bezug auf die Akzeptanz von Energieflexibilität begrenzt verfügbar. Gebäudeund FacilitymanagerInnen bzw. EntwicklerInnen von Immobilien könnten in dieser Hinsicht eine wichtige Rolle spielen, da sie für die strategische Entwicklung der Gebäude und Gebäudeverbände verantwortlich sind und strategische Entscheidungen beeinflussen können. Die erfolgreiche Einführung von Energieflexibilitätsmaßnahmen muss dabei Faktoren wie relativen Nutzen, Komplexität, Kompatibilität, Sichtbarkeit und Erprobbarkeit berücksichtigen. Wenn Manager- Innen zum Beispiel die vielfältigen Vorteile einer Innovation erkennen oder von einem Beispielobjekt vor Ort lernen können, werden sie die Innovation wahrscheinlich leichter umsetzen. Andererseits, wenn die Innovation als zu komplex oder als mit bestehenden Verfahren und Vorgehensweisen nicht kompatibel wahrgenommen wird, wird dies die Umsetzung möglicherweise verhindern. Sobald die verantwortlichen Personen Innovationen jedoch umsetzen, werden sie Einfluss auf die Meinung in ihren Netzwerken nehmen. An der Delft University of Technology wurde das Wissen um die Erfolgsfaktoren für Innovationen1 und eine reale Fallstudie – der Campus der TU Delft – genutzt, um den Prozess der Umsetzung energieflexibler Gebäude zu bewerten. Beispiel Universitätscampus der TU Delft Der Universitätscampus der TU Delft ist ein kleines “Dorf” mit eigener Wärmeerzeugung und Wärmeverteilung mittels Fernwärmeleitungen mit 100-130 °C Vorlauftemperatur. Die Wärmeerzeugung erfolgt in drei Heizwerken sowie zwei KWK-Anlagen und die Wärmeübertragung erfolgt mittels 101 Wärmetauschern. Die Abbildung zeigt die Gebäude und das verzweigte Wärmenetz. Die Bruttogeschossfläche, der Energiebedarf und die installierte Leistung der Gebäude des Wärmeverbunds variieren in einem weiten Bereich.

Fernwärmenetz des Campus der TU Delft. Der praktische Test eines Zweiges des Wärmenetzes umfasste einen Wärmeerzeuger (rot) und drei verbundene Universitätsgebäude (blau). Quelle: https://ipin-tudelft.erbis.nl/.

In der Fallstudie identifizierten die beteiligten ManagerInnen eine Senkung der Vorlauftemperatur des lokalen Netzes als wichtige Energieeinsparmaßnahme, wobei der Übergang von einer hohen Versorgungstemperatur zu einer mittleren Versorgungstemperatur nicht einfach vor Ort getestet werden konnte. Es wurde ein kollaboratives Forschungsnetzwerk eingerichtet und die Machbarkeit im Rahmen einer Projekt-Studie untersucht.

Übergang von einer hohen Versorgungstemparatur im Fernwärmenetz der TU Delft (100-130 °C) mit Versorgung über Gaskessel und KWK (links) zu einem Niedertemperaturnetz mit geothermiegespeister Wärmepumpe (rechts). Quelle: Stoelinga et al., 2016

In den Untersuchungen wurde versucht, die Wärmeversorgung optimal abzustimmen und den Bedarf in Zeiten zu verschieben, in denen das Netz nicht überlastet war. Parallel zur Modifizierung der Versorgungsanlage und der Gebäude wurde mit den Partnern ein Regelungssystem entwickelt, das das Gebäudemanagement mit der Software der Energieerzeugung verknüpfte. Eine Fünf-Tage-Wettervorschau mit stündlichem Update wurde in Verbindung mit Gebäudemodellen zur Vorhersage des erwarteten Wärmebedarfs verwendet (siehe Abbildung). Die eingesetzte Regelungsstrategie zielte darauf ab, zu hohen Durchfluss zu reduzieren, die Versorgungstemperatur zu senken und je Gebäudecluster zu regeln sowie Kaskadenkreisläufe in den Wärmekreisen anzuwenden.

Geplante Änderungen im Fernwärmenetz des Campus der TU Delft: Wärmekreise und Regelungsstrategien. links: derzeitige Situation, rechts: zukünftige Situation. Quelle: TU Delft/ Deerns, 2015.

Simulationen und Tests zeigten, dass ein intelligentes Regelungssystem die Versorgungstemperatur des Wärmenetzes erfolgreich reduzieren kann. Außerdem konnte die Anwendbarkeit der reduzierten Vorlauftemperatur in einem Zweig des Netzwerkes validiert und so die mögliche Verwendung von Kogeneration und geothermischer Wärmequelle bestätigt werden. Ein Gebäude wurde während der praktischen Anwendung des dynamischen Regelungssystems vermessen, und es gab keine Beschwerden bezüglich des Komforts. In den Projektberichten findet sich eine ausführliche Übersicht der Simulationsergebnisse 2, 3, 4. Die nachfolgende Abbildung zeigt ein Beispiel der gemessenen Rücklauftemperaturen des untersuchten Wärmenetzzweiges im Februar 2017 (NT2 - blau), verglichen mit den Rücklauftemperaturen in zwei anderen Wärmenetzzweigen. (ZT1 - grün, ZT2 - violett). Dabei wurden im Wärmenetzzweig NT2 ausreichend niedrige Rücklauftemperaturen für die Nutzung von Geothermie gemessen.

Diese Ergebnisse waren für die Verantwortungsträger interessant, doch zeigten sich Hindernisse in Hinblick auf notwendige Modifikationen von Hardware, Bauteilen, Gebäuden und Systemen. Die praktischen Tests eines prototypischen dynamischen Regelungssystem zeigten die Notwendigkeit der Integration von Servern, Fernwärmereglern an jeder Station, die Entwicklung von geeigneten Geräten für die Kommunikation und Datenkopplung der Simulationsumgebung und der Regelung der Wärmeproduktion, des Wärmenetzes und der Wärmeversorgung der Gebäude. Außerdem war die mangelnde Interoperabilität zwischen Gebäudemanagement, Regelung und Datenübertragungssystemen problematisch. Verschiedenartige Datenquellen von unterschiedlichen Herstellern mussten verbunden werden, wie z. B. von Simulationstools (LEA, Wanda), Building-Management-Systemen (Johnson Controls, Siemens, Honeywell), Reglern (ABB für die Wärmeerzeugungseinheit und Priva für die Verbindung zu LEA und Wanda), Messgeräten (GMC in den Gebäuden), Energiemonitoringsystemen des Campus (Erbis) und meteorologischen Daten (Meteorologie-Service). Nur die größeren Gebäude sind derzeit mit einem programmierbaren Gebäudemanagement-System ausgerüstet und Energieverbrauchsinformationen können für die meisten Gebäude noch immer nicht zentral abgerufen werden.

Gemessene Rücklauftemperaturen für drei Wärmenetzzweige mit Verwendung einer prädiktiven Regelung in Wärmenetz NT2 (blau dargestellt, Messzeitraum Februar 2017). Fast während der ganzen Messzeit wurden in NT2 zufriedenstellend niedrige Rücklauftemperaturen gemessen (für die Nutzung von Geothermie gleich oder unter 65 °C). Quelle: Stoelinga et al., 2017.

Zusammenfassung und Ausblick

Aufgrund seiner hohen Komplexität führte das Projekt nicht direkt zur Identifikation von Maßnahmen und einem spezifischen Aktionsplan. Es war offensichtlich, dass zusätzliche Untersuchungen notwendig sind, wie z. B. die Installation und Kostenbewertung der Installation von Durchflussreglern, Datenservern, Schnittstellen, Sensoren, Back-up-Einheiten sowohl in den Gebäuden (Management und Energieverbraucher), als auch Netzwerken (Produktionsanlagen, Regelungen und Zweigen). Da Serverprobleme auftraten, waren die beteiligten ManagerInnen auch überzeugt, dass neben all der Automation Notfallschalter nach wie vor notwendig sind, die die Übernahme durch eine manuelle Steuerung ermöglichen. Eine Person muss für die laufende Bewertung der vorgeschlagenen Temperaturmodifikationen verantwortlich sein. Die CampusmanagerInnen bewerteten auch Erfordernisse, die über Regelung oder Komfort von einzelnen Gebäuden hinausgingen, wie z. B. notwendige Optimierung der Instandhaltung, Renovierung bzw. Ersatz von Installationen und Gebäuden und kamen zu dem Schluss, dass einige der Gebäude nicht für energieflexible Lösungen geeignet sind und aufgrund ihrer schlechten Energieperformance renoviert oder ersetzt werden müssen. Ein weiteres Ergebnis war, dass ein gewisses Ausmaß an technischen Modifikationen und Renovierungen notwendig ist, um den Komfort in den Gebäuden aufrechtzuerhalten, wenn Energieflexibilität umgesetzt werden soll. Die Beurteilung von Zustand, Energie- und Kostenbewertung der Immobilien sollte verbessert und in Hinblick auf die Implementierung von neuen Lösungen müssen die Innovationsrisiken abgedeckt werden. Da zukünftige Nutzerprofile unbekannt sind, ist die Vorhersage der notwendigen Energieflexibilität aber eine Herausforderung. CampusmanagerInnen wollen nicht in Gebäude investieren, die eine kurze (Rest-)Lebenszeit haben oder wenn eine Integration von innovativen Lösungen zu teuer und zu kompliziert ist. Daher ist weiterer Forschungsbedarf gegeben, um die Einführung von energieflexiblen Gebäuden mit anderen Management- Strategien, die zu Energieeinsparung führen, zu vergleichen.

Statement

"Der steigende globale Energiebedarf, die vorhersehbare Verringerung der verfügbaren fossilen Energieressourcen und die zunehmend wahrnehmbaren Anzeichen einer globalen Klimaerwärmung haben zu einem großen Interesse an erneuerbaren Energien geführt. Erneuerbare Energiequellen wie Wind und Photovoltaik beeinflussen durch ihre Variabilität in der Erzeugung die Stabilität der Energienetze in starkem Ausmaß, wenn sie einen hohen Prozentsatz der Gesamterzeugung ausmachen. Die Energieflexibilität von Gebäuden wird von der Internationalen Energieagentur, der EU und vielen anderen daher als Teil einer Lösung zur Abschwächung der auftretenden Herausforderungen in zukünftigen Energiesystemen mit Laststeuerung (in elektrischen -, Fernwärme- und Gasnetzen) angesehen."

Søren Østergaard Jensen, Senior Project Manager am Danish Technical Institute und Operating Agent des IEA EBC Annex 67

Danksagung

Dieser Artikel wurde im Rahmen des IEA EBC Annex 67 Energy Flexible Buildings verfasst. Die Teilnahme der TU Delft an diesem Annex wurde durch die Netherlands Enterprise Agency (RVO) unterstützt.

Die österreichische Teilnahme am Projekt wird im Rahmen der IEA Forschungskooperation vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie gefördert.

Autor

Ass. Prof. Dr. Ziv.-Ing. Arch. Erwin Mlecnik, TU Delft, Faculty of Architecture and the Built Environment, Department of Management in the Built Environment. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Literatur

  1. Rogers, E.M., (2003), Diffusion of Innovations, 5th ed., Free Press, New York, NY.
  2. Stoelinga, P., Kind, R., Aalbers, R., Wesdorp, D., van der Zwan, S., Pothof, I., Staal, M., Beekwilder, M., van der Hoeven, G., Veldkamp, M., (2016), Intelligent Warmtenet Campus TU Delft (in Dutch), Project number: RNL.160.12.04043.04. IPINS01013-eindrapportage- 20161223-v1.0, Deerns Nederland B.V., Rijswijk, The Netherlands.
  3. Stoelinga, P., Kind, R., Aalbers, R., (2017), Intelligent Warmtenet Campus TU Delft, Fase 2 Validatie van de dynamische warmtenetregeling na implementatie in Noordtak 2 (in Dutch), Project number: RNL.160.12.04043.04. IPIN-Validatie-rapportage-20170323-v0.4, Deerns Nederland B.V., Rijswijk, The Netherlands.
  4. Mlecnik, E., Hellinga, C., Stoelinga, P., (2018) Energy Flexible Online abrufbar unter http://www.annex67.org/publications/reports/.
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