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Phosphorrückgewinnung aus Klärschlamm in der Schweiz und in Europa

Von Anders Nättorp, Maurice Jutz, Marie-Edith Ploteau

Hintergrund

Phosphor ist ein nicht substituierbarer Rohstoff, dessen Verfügbarkeit als global relevanter Engpass für die Düngung und die Nahrungsmittelversorgung identifiziert wurde. Europa hat eine Importabhängigkeit von über 90 % in Bezug auf mineralischen Phosphor. In der Folge wurde Phosphatgestein von der Europäischen Kommission im Jahr 2014 zu einem kritischen Rohstoff erklärt. Gleichzeitig wird eine Menge von 15% des europäischen Phosphorbedarfs als entsorgter Klärschlamm und dessen Asche vergeudet. Technologien, die die Rückgewinnung von mineralischem Phosphor aus dem Abwasserstrom ermöglichen, haben sich bereits im großtechnischen Maßstab bewährt, um pflanzenverfügbares Phosphor zurückzugewinnen. Eine umfassende Phosphorgewinnung, die ein effizientes Recycling der wertvollen Ressource auf europäischer Ebene ermöglicht, muss jedoch noch etabliert werden. Deutschland hat 2017 Phosphorrückgewinnung aus Klärschlamm vorgeschrieben. Auf EU-Ebene soll die Düngerverordnung voraussichtlich ab 2021 Recyclingmaterialien wie z.B. Phosphor aus Aschen, Fällungsprodukte wie Struvit und organische Komponenten wie Gärreste auf gleicher Ebene wie traditionelle Düngerrohstoffe zulassen. Diese können einzeln oder zusammen laut einem harmonisierten Regelwerk verarbeitet werden, der konformen Materialien Produktestatus (End-of-Waste) verleiht.

Flugaufnahme Abwasserverband Altenrhein mit Fliessschema für energetische und stoffliche Verwertung von Klärschlamm Foto: AVA Altenrhein

Schweiz als Vorreiter in der Phosphorrückgewinnung

2016 führte die Schweiz als erstes Land weltweit eine verbindliche Phosphorrückgewinnung aus Klärschlamm (~200 000 t Trockensubstanz/Jahr; Potential 5 800 t P/ Jahr) sowie Tier- und Knochenmehl (1 500 t P/Jahr) ein (Binder). Mit einer Übergangsfrist von 10 Jahren soll der Phosphor, der heute fast zu 100 % deponiert wird, rezykliert werden, um z. B. Mineraldüngerimporte (~4 000 t P/Jahr) zu ersetzen.

Für eine erfolgreiche Umsetzung ist die Mitwirkung aller Akteure entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Abwasser- und Entsorgungswirtschaft bis zur Düngemittelindustrie, die Landwirtschaft und die Lebensmittelindustrie unerlässlich. Das Phosphornetzwerk Schweiz ist ein branchenübergreifendes Netzwerk, das von der Hochschule für Life Sciences, Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) mit der Unterstützung von Verbänden und in Zusammenarbeit mit kantonalen und eidgenössischen Behörden betrieben wird. Folgende Angebote des Phosphornetzwerks Schweiz für und mit Partnern existieren:

  • Informationen zu Technologien, Kosten, Recyclingprodukten, Markt, Umweltauswirkungen und Gesetzgebung, siehe www.pxch.ch.
  • Informationsveranstaltungen zu aktuellen Entwicklungen und ausgewählte Themen.
  • Vertretung gemeinsamer Interessen der Schweizer Akteure im Europäischen Raum
  • gemeinsame Projekte

Aktuell laufen 5 Demonstrationsprojekte mit Hinblick auf Umsetzungen in der Schweiz.

Name (Kontakt) Prinzip Produkt Mögliche Anlagengrösse
Euphore (ERZO) Thermische Behandlung von Klärschlamm in Drehrohrofen bzw. Wirbelbett Asche als Düngerrohstoff 20000 - 135000t Klärschlamm
Pyrophos (CTU)
Phos4Life
(Kt ZH)
Aschelaugung gefolgt von Aufreinigung mit Flüssig-flüssig-Extraktion Phosphorsäure 15000 -100000t Asche
Sepholix (CIMO) Aschelaugung gefolgt von Fällung mit Kalkmilch Calciumphosphat für Dünger 5000t Asche, eventuell mehr
ZAB (Bazenheid) Ansäuerung von Klärschlamm- und Tier-und Knochen-mehlasche mit Phosphorsäure Triplesuperphosphat (Oder NPK-Dünger) 10000 -15000t Asche

Pyrophos- Energienutzung und Phosphor Recycling in Altenrhein, Schweiz

Der Abwasserverband Altenrhein (AVA) klärt das Abwasser von über 100 000 Einwohngleichwerten (EW) und trocknet eigenen und fremden Klärschlamm von insgesamt 400 000 Einwohnern in der Region. AVA entwickelt zusammen mit der Firma CTU Umwelt- und Energietechnik AG und der Hochschule für Life Sciences, FHNW das Pyrophos-Verfahren zur energetischen und stofflichen Verwertung des Klärschlamms vor Ort. In einer Wirbelschicht-Pyrolyse wird der Klärschlamm thermochemisch behandelt, so dass Strom, Wärme und ein phosphathaltiger Rohstoff hergestellt werden können. Der Strom kann als erneuerbarer Strom ins Netz eingespeist werden, die Abwärme wird für den Eigengebrauch und im lokalen Fernwärmenetz verwertet. Der phosphathaltige Rohstoff hat laut Messungen vom Projektpartner FiBL über 80 % Pflanzenverfügbarkeit (RFE TSP) und soll durch das Branchenwissen des Marktpartners LANDOR wieder in die Landwirtschaft zurückgeführt werden.

Die Energienutzung trägt mit 77 % und das Phosphorprodukt 23 % zur Wertschöpfung bei. Damit bleiben die ungedeckten Kosten des neuen Systems inklusive Phosphorrückgewinnung in derselben Größenordnung wie heute, wo der Klärschlamm ohne Phosphorrückgewinnung im nahegelegenen Zementwerk entsorgt wird.

Phosphorrückgewinnungslösungen für Nordwesteuropa

In einem Interreg-Projekt der Europäischen Union (Phos4You www.nweurope.eu/phos4you) soll demonstriert werden, dass die Rückgewinnung von Phosphor aus Abwasser für große und kleine Kläranlagen machbar ist. Sieben Demonstratoren für Phosphor-Rückgewinnungstechnologien werden ab Herbst 2018 unter Realbedingungen betrieben (siehe nachfolgende Tabelle).

Verfahren Prinzip Ort Partner
Tetraphos® Saure Phosphorextraktion aus Klärschlammasche Werdohl, DE Lippeverband
EuPhoRe® Thermochemische Klärschlammbehandlung Dinslaken, DE Emscher-
genossenschaft
PULSe Säureextraktion teilgetrocknetem Klärschlamm Lüttich, BE mobile Anlage Universität Lüttich
STRUVIA™ Bioversäuerung von Klärschlamm und Fällung Lille, FR Veolia, IRSTEA
Mikroalgen Dezentrale Phosphorelimination Schottland Glasgow Caledonian Universität (GCU)
FiltraPhos™ Dezentrale Phosphoradsorption Krustentiergehäuse Schottland Veolia, Universität Highlands and Islands
STRUVIA™ Dezentrale Fällung von Phosphor Irland, Schottland

Veolia, Cork Institut für Technologie, GCU, Scottish Water

Darüber hinaus soll der Nutzen von sekundärem Phosphor in der Düngemittel-Wertschöpfungskette aufgezeigt werden, um so den P-Kreislauf durch Recycling zu schließen. Dafür werden Phosphor-Rezyklate aus den Demonstratoren der Düngemittelindustrie zur Verfügung gestellt: mögliche Kombinationen mit Standardprodukten werden getestet. Ergänzend, um die Wirksamkeit der Phosphor-Rezyklate einheitlich zu bewerten, wird ein EU-weiter Standard zur Qualitätsbewertung der neuen Düngemittelprodukte erarbeitet. In der letzten Projektphase werden Phosphorrecycling-Ansätze in ländlichen und urbanen Regionen modellhaft entwickelt.

Statement

"90% des globalen Phosphorbedarfes wird derzeit in der Düngemittelindustrie eingesetzt. Da die Phosphorvorkommen in einigen wenigen Ländern konzentriert sind (Marokko, China, USA, Russland und in einigen nordafrikanischen Staaten) und die Phosphorkonzentration in den abgebauten Rohstofflagern zukünftig abnehmen wird, sind sowohl ein Preisanstieg für phosphorbasierte Düngemittel als auch erhöhter Energieeinsatz und Abfallaufkommen bei der Produktion sehr wahrscheinlich. Die Rückgewinnung und Aufwertung von phosphorbasierten Rohmaterilien für die Düngemittelindustrie wird daher von ProPHOS Chemicals S.r.l. als wesentliches Forschungs- und Entwicklungs-Thema für die Zukunft angesehen*.”
Marco Michelotti, COO von ProPHOS Chemicals S.r.l., Italien

* Derzeit wird die Effektivität einer patentierten Rückgewinnungs- und Aufwertungs-Technologie von phosphorbasierten Rohmaterialien im Projekt PHOSave (Horizon 2020 – SME Instrument Program) demonstriert.

Autoren

Dr. Anders Nättorp und Prof. Maurice Jutz, Hochschule für Life Sciences, Fachhochschule Nordwestschweiz. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Marie-Edith Ploteau, Lippeverband, Koordinatorin des Interreg Projekts Phos4You. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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