Zeitschrift EE

nt 01 | 2021 Neue Impulse für die Energieraumplanung

Energieraumplanung wird digital – Praxisbeispiele aus der Schweiz

Gabriel Ruiz, Jakob Rager

Mit der Schweizer Energiestrategie 2050 wurde die Energiewende in der Schweiz eingeleitet. Die Energiewende erfordert unter anderem eine Steigerung der Energieeffizienz, die Senkung des Energiebedarfs und eine bessere Integration von erneuerbaren Energien, was zu neuen lokalen Infrastrukturprojekten führt. Neben der Energiewende hat die Schweizer Regierung ein weiteres Ziel formuliert: die Klimaneutralität im Jahr 2050. Die Ziele der Energiewende und der Klimaneutralität sind miteinander verbunden: Noch immer ist die Verbrennung fossiler Brennstoffe in Fahrzeugen und Gebäuden für einen großen Teil der CO2-Emissionen des Landes verantwortlich

Das Online Interface des Simulationstools PlanETer zeigt die Umgebung für die Entwicklung eines Fernwärmenetzes, wie es im EnergieMasterplan definiert wurde. Die Farben zeigen spezifische Empfehlungen für das in der Box ausgewählte Gebäude

Energie-Masterpläne als kommunale Aufgabe

Ehemalige Vorortgemeinden wachsen heute mit ihren Gemeinden zu urbanen Zentren zusammen, die rund 75 Prozent der Bevölkerung in der Schweiz Wohnraum bieten. Deutliche Grenzen zwischen diesen Gemeinden verschwinden, während Verwaltungsgrenzen allerdings oft bestehen bleiben.

In der Schweiz ist die Energieplanung in den meisten der 26 Kantone eine kommunale und nicht eine staatliche Aufgabe. Traditionell besteht die Aufgabe der räumlichen Energieplanung darin, den lokalen Behörden ein politisches Instrument zur Verfügung zu stellen, das als Energie-Masterplan bezeichnet wird. Der Energie-Masterplan formuliert strategische energiebezogene Ziele. Er erleichtert auch die Umsetzung von Maßnahmen, die dazu beitragen, die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern, eine nachhaltige Energieversorgung zu sichern und die Koordination mit der Flächennutzungsplanung zu ermöglichen. Die bildliche Darstellung der Schlussfolgerungen aus der strategischen Entwicklung der Energieversorgung und der empfohlenen Maßnahmen eignen sich sehr gut zur Kommunikation der Ergebnisse. Neben dem politischen Aspekt unterstützt dieser Ansatz die Festlegung von Energiezielen, die das Potenzial und die Beschränkungen eines bestimmten Gebiets widerspiegeln sollten.

Daten für die Energieraumplanung

Die Beschleunigung der Energiewende auf dem Weg zur Kohlenstoffneutralität erfordert die Beschleunigung aufwändiger Prozesse. Datenerfassung und Qualitätsprüfung von Daten dauern häufig viel länger als geplant. Lokale und föderale Regierungsinitiativen versuchen daher, diese Situation durch die Bereitstellung statistischer Daten zu verbessern. Diese Daten sind aufgrund mangelnder Datenqualität und aufgrund Datenschutzbedenken jedoch nur eingeschränkt nutzbar. Basierend auf diesen Erfahrungen hat CREM, eine Schweizer Non-Profit-Forschungsgesellschaft, das europäische Horizon2020-Forschungsprojekt EnerMaps ins Leben gerufen, das Open-Source-Daten für die gesamte EU 27 einschließlich der Schweiz für die Energieplanung anbietet. Die abgeschätzten Daten werden einer Qualitätsprüfung unterzogen und sind in einer räumlichen Auflösung von 100 mal 100 Metern beispielsweise für den Wärmebedarf von Wohngebäuden oder verschiedene erneuerbare Energiepotenziale erhältlich. Die Daten können durch eigene Daten, zum Beispiel auf Basis von Messungen und Abrechnungsdaten, ergänzt werden.

Der von Navitas Consilium SA angebotene Ansatz wurde ursprünglich von CREM entwickelt. Die räumliche Energieplanung auf der Grundlage von Daten soll einen Mehrwert für die lokale Politik darstellen. Basierend auf traditionellem Ingenieurwesen werden digitale Methoden angewendet und komplexe Ergebnisse intuitiv dargestellt.

Digitale Energieplanung an der Schnittstelle von Energieforschung und erneuerbarem Energiesektor - EnerMaps bietet eine digitale Plattform zur Gewinnung von „FAIR data“ (Findable, Accessible, Interoperable, Reuseable) für ProfessionitInnen im Energiebereich

Simulationstools zur Optimierung von Energieversorgungsstrategien

Die folgenden Beispiele geben einen Einblick in die Möglichkeiten, die das Simulationstool PlanETer zur Optimierung von Energieversorgungsstrategien bietet. Das Tool wurde durch Erprobung in mehr als 70 Gemeindegebieten in der Schweiz verfeinert.

Um fundierte Energie- und Klimaziele für ein Territorium festzulegen, werden meist mehrere Szenarien unter Berücksichtigung einer Senkung des Energiebedarfs und einer Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien im Versorgungssystem berechnet. Unabhängig von der Berechnungsmethode, (deterministisch, Optimierung, ...), ist es entscheidend sicherzustellen, dass die Parameter, die in die Berechnung eingehen, mit den Möglichkeiten und Einschränkungen eines bestimmten Gebiets übereinstimmen. In dem Tool werden sowohl der Energiebedarf und die damit verbundenen Gebäudeeigenschaften als auch die lokalen Ressourcen und territorialen Gegebenheiten mit dem Landkataster verknüpft. Auf dieser Grundlage gleicht das Simulationswerkzeug den Bedarf und das Angebot unter Berücksichtigung des begrenzten Ressourcenpotenzials eines bestimmten Gebiets sowie der Eigenschaften des Gebäudebestands und der damit verbundenen Auswirkungen von Sanierungsmaßnahmen mit dem Zugang zu bestimmten erneuerbaren Ressourcen ab. Die Ergebnisse solcher Szenarien werden mit Referenzzielen verglichen, damit die lokalen Behörden die bevorzugte Strategie wählen können, wobei jedes Szenario technisch machbar ist. Dadurch können die Energieversorgungsstrategie und spezifische Ziele unter Berücksichtigung politisch-ökonomischer Aspekte festgelegt werden.

Wesentlich für einen Energiemasterplan sind Überlegungen zu einer effizienten und erneuerbaren Wärmeversorgung. Dichte Stadtgebiete weisen hohe potenzielle Wärmedichten auf. Die Ergebnisse von PlanETer auf Gebäudeebene können direkt zu einer Fernwärmenetzstrategie führen: Das Open-Source-Plugin SIGOPTI für die Open-Source-GIS-Software QGIS erstellt schnell ein optimiertes Fernwärmenetz auf Basis der PlanETer-Ergebnisse.

Um die Planung von Multi-Energie-Netzen voranzutreiben, hat die Zusammenarbeit zwischen AEE INTEC und CREM unter anderem zu der Open-Source Co-Simulationsplattform IntegrCiTy geführt, die ebenfalls auf PlanETer-Ergebnissen aufbaut.

Das auf Gebäude- oder Parzellenebene aufgebaute Modell bietet auch alle relevanten aus der Energieversorgungsstrategie abgeleiteten Informationen, um eine effiziente Kommunikation mit allen Beteiligten zu ermöglichen. Das Online-Modul von PlanETer verwendet eine GIS-Web-Lösung, die es dem BenutzerInnen ermöglicht, verschiedene Informationsschichten zu visualisieren und ein Gebäude auszuwählen, um die zugehörigen Energieempfehlungen und Informationen über die verfügbaren Ressourcen abzurufen. Andere Links führen die NutzerInnen zu weiteren Informationen, wie z. B. zu den verfügbaren Fördermitteln, zu grundlegenden technischen Erklärungen des empfohlenen Energiesystems oder einfach zur Angabe eines Ansprechpartners für weitere Informationen. Jede Strategie mit festgelegten Zielen muss im Zeitverlauf verfolgt werden, um zu beurteilen, ob die ergriffenen Maßnahmen die erwarteten Effekte erzielen. Aus diesem Grund wurde das Dashboard-Modul von PlanETer entwickelt, um die Entwicklung ausgewählter Indikatoren zu verfolgen. Das Dashboard wird mit denselben Daten gespeist, die für den EnergieMasterplan erzeugt wurden. Seine interaktiven Graphen ermöglichen den NutzerInnen den Zugriff auf effiziente Informationen und eine einfache Analyse durch verschiedene Filter z. B. Berücksichtigung eines bestimmten Gebiets, des Energieverbrauchs oder der CO2-Emissionen. Die Indikatoren können für jeden speziellen Fall angepasst werden, um die langfristigen Ziele abzubilden, die von der lokalen Politik für ihr Gebiet festgelegt wurden. Darüber hinaus bietet das Dashboard die Möglichkeit, ein bestimmtes Territorium mit anderen Gemeinden oder Regionen zu vergleichen.

Übersichtsseite der Online-Energieindikatoren des PlanETer Simulationstools. Die Graphen können durch Auswahl der Informationen links interaktiv visualisiert werden. Die Auswahlmöglichkeiten links erlauben auch einen Vergleich verschiedener Jahre oder verschiedener Gemeinden

Fazit

Die Digitalisierung bietet viele Möglichkeiten, um weiteren Nutzen aus einer ersten strategischen Studie zu ziehen. Online-Tools schaffen dafür Prozessketten für diverse Zwecke, die von der Planung bis zum Monitoring reichen, mit dem Vorteil, dass Informationen online und interaktiv zur Verfügung stehen. Digitale Tools ermöglichen es auch, verschiedene Zielgruppen anzusprechen und unterschiedliche Analysemaßstäbe bereitzustellen. Das übergeordnete Ziel dabei ist, die lokale Energiewende zu beschleunigen.

Weiterführende Informationen

AutorInnen

Ing. Gabriel Ruiz ist CEO von Navitas Consilium SA. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dr. Jakob Rager ist Direktor von CREM (Centre de recherches énergétiques et municipals). Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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